You were something special von Schattenaugen ================================================================================ Kapitel 9: 9. ------------- Und erst, als das unmissverständliche Geräusch eines Treffers ertönte, als er das leise Schluchzen seiner Tochter im Hintergrund wahrnehmen konnte, ebenso wie das schmerzliche und ungläubige Keuchen einiger anderer Anwesender, blieb ihm das Herz stehen und für einen Augenblick wusste er nicht, ob er sich weiterhin in der Luft halten konnte oder nicht, ob er es jemals wieder schaffen würde die Augen zu öffnen und das Ergebnis dessen anzuschauen, was er gerade getan hatte. Aber er musste es tun, kam nicht um die ungeschriebenen Wahrheiten herum und musste seine Augen wieder öffnen, musste sich ein weiteres, so schmerzliches Mal der Realität stellen, die er sich selbst geschaffen hatte. In seinem Hals war kein Platz mehr für eine weitere Ausweitung des Felsens, der sich darin niedergelegt hatte und ohne, dass er es eigentlich wollte, ohne, dass er es hätte verhindern können, entkam ihm ein eigenes kleines Keuchen, das in einen abgehackten Atemzug unterging. Wie er sich für all das hier hasste, wie er dieses Leben, diese unumstößliche Tat hasste, die er gerade begehen musste und doch blieb ihm keine andere Wahl. Hatte sie ihm keine Wahl gelassen, kein Entkommen gegönnt. Er musste die Augen öffnen und nahm seine Hände endlich wieder nach unten, nur um jetzt, jetzt wo alles vorbei war, sein Herz so hart gegen seine Rippen schlagen zu spüren, dass es ihm beinahe den Dienst versagen wollte, dass es sich anfühlte, als wolle es auf direktem Weg hindurch stoßen und aus dem Himmel fallen. Es würde keinen Unterschied mehr machen, es würde diese endlos langen Sekunden nicht einfacher machen und er kam nicht umhin einen tiefen Atemzug zu nehmen, wenn er selbst nicht derjenige sein wollte, der jeden Moment selbst aus dem Himmel fallen wollte. Wenngleich das auch nicht schmerzlicher sein würde als die Erkenntnis dessen, was er sehen würde, wenn er sich endlich dazu überwinden könnte und doch nur weitere Sekunden verstreichen ließ, zumindest kam es ihm so vor. Dieser Augenblick war so lang, dass er einfach nicht mehr beschreiben würde können, wie viel Zeit an sich vergangen war, nicht, dass es am Ende noch eine wirkliche Rolle gespielt hätte. Denn mit ihrem Tod war auch das unwichtig geworden. Mit der Tatsache, dass sie ihn alleine gelassen hatte, war jeder weitere Atemzug, den er ohne sie nehmen musste, wie ein unbarmherziger Stich in sein Herz, als würde man ihm mit jeder vergangenen Sekunde ein wenig seines klaren Verstandes aus dem Körper ziehen und unwiderruflich zerstören. In Asche und Staub zerfallen lassen und als wäre es am Ende dieser eine Gedanke gewesen, der wirklich entscheidend war, nahm er einen weiteren zittrigen Atemzug und ballte seine Hände an seinen Seiten zu Fäusten. Öffnete endlich seine Augen und musste sich, wirklich und wahrhaftig anstrengen um nicht doch sofort auf dem Himmel zu fallen und erschöpft und gebrochen liegen zu bleiben. Was spielte es für eine Rolle? Die Reste seiner eigenen Energie waren noch immer zu spüren, als hätte seine Energie die Luft um sie herum erwärmt und das Gefühl wollte einfach nicht weichen, genau wie die schlagende Erkenntnis sich einfach nicht mehr auflösen wollte. Sein Sohn war etwas weiter nach oben geflogen und schien beinahe genau denselben Punkt mit traurigen und wässrigen Augen zu betrachten, den sich nun auch seine Augen suchten und den nächsten Atemzug in seiner Brust fingen, auf dem Weg von seinen Lippen in seine Lungen irgendwo festhielten und das quälende Gefühl ersticken zu müssen, hinterließen. Das alles schien so unwirklich und noch während er sich krampfhaft in den Geist zurück zu rufen versuchte, dass es wirklich ihr Wunsch gewesen war, dass es nichts mehr an der Tatsache zu rütteln gab und es eine Entscheidung gewesen war, die vor so vielen Jahren schon getroffen wurde, konnte er nicht anders als ein weiteres Mal gequält aufzukeuchen. Es schien so unfair, auch wenn er soviel Zeit, so viele scheinbare Jahre Zeit gehabt hatte um sich an diesen Gedanken zu gewöhnen - jetzt und hier schien er so falsch wie noch nie, jetzt und hier schien er ihm das letzte bisschen Verstand aus den Knochen zu saugen, weil er sich selbst der letzten Möglichkeit beraubt hatte, noch ein einziges Mal in ihr nun schlafendes Antlitz zu blicken. Er schluckte, schluckte so schwer, dass es sich anfühlte, als wolle der Felsen tiefe Risse in seine Kehle ziehen, als wolle er sich mit dieser kleinen Bewegung in Fetzen reißen und doch geschah nichts. Geschah nichts außer dem leichten Wind, der winzigen Böe, die ihre Asche in alle Winde verteilte, so wie sie es immer gewollt hatte und doch... doch löste dieser Anblick eine ungeahnte Übelkeit in ihm aus, die er einfach nicht verstecken, nicht verkraften und schon gar nicht verdrängen konnte, während seine geballten Hände an seinen Seiten begannen zu zittern. Irgendwo, in den Tiefen seiner Seele gab es ein klirrendes Geräusch und etwas zersprang, ohne dass er es benennen konnte, gar es in irgendeiner Form auch wirklich wollte. Und das Bild verschwamm vor seinen Augen, ohne dass er die Möglichkeiten wirklich alle in Betracht ziehen konnte und wahrnahm, dass es seine eigenen Tränen waren, die ihm die Sicht nahmen und mit jeder vergangenen Sekunde mehr wurden. Ohne wirklich selbst zu registrieren, dass er sich langsam, gar wie in einer Trance befindend nach unten sinken ließ, ohne den letzten Punkt ihres Aufenthalts mit den Augen zu verlassen, weil er es einfach nicht konnte, weil er sich außer Stande fühlte ihr Wesen damit in Verbindung zu bringen. Weil er das letzte Bild vor seinem inneren Auge, das letzte Bild ihre fahlen graue Haare mit dieser wunderschönen Blume darin, die die Farbe ihrer einstigen Haare trug, nicht mit dem in Verbindung bringen konnte, was sich so unverschämt klar vor seine Augen legte und ihn wie ein schwarzes Tuch einhüllte. Ihn einnahm, wie die Trauer, die dieses leere Bild in ihm auslöste und sich wie ein Fegefeuer durch seine Adern bahnte, sich einen Weg in jede Zelle seines Körpers suchte und das Zittern seiner Hände auf seine Arme ausweitete, während sich selbst seine Augen leicht weiteten. Hatte... hatte er das wirklich getan? Beinahe schmerzhaft wurden die letzten Fetzen ihrer Asche vor seinen ungläubigen Augen davon geweht und sein nächster Atemzug fing sich neuerlich in seiner Brust, ließ sie krampfhaft zusammen ziehen, während der Felsen in seinem Hals ganze Arbeit zu leisten schien. Beinahe konnte er das Blut schmecken, dass er auf seinem Weg nach unten förderte, nur um doch wieder nach oben zu springen und an Größe zuzunehmen, ihm jegliches anderes Gefühl abtötete. Nichts blieb mehr übrig, nichts außer den kleinen Fetzen grauem Schleier, der sich langsam lichtete, langsam weniger wurde und wie durch Geisterhand verschwand, als wäre er niemals wirklich dort gewesen und er konnte nicht, konnte nicht die Augen von diesem so schmerzhaften Spektakel nehmen, egal wie lange es dauerte, egal wie sehr sie brannten und ihm sagten, dass er eigentlich gar nicht konnte... gar sollte. Dieser schmerzhafte Schleier, der einst sein Leben darstellte und sich vor seinen Augen verflüchtigte, nichts weiter als die traurige Erkenntnis übrig ließ, als die Tatsache, dass es wirklich nur einst so gewesen war. Dass sie gegangen war und ihn hier auf der Erde alleine gelassen hatte, diese unbestimmte Zeit an vielen Jahren hinter sich ließ und eine genauso unbestimmte Zeit an Jahren vor ihm lagen, die er nicht einmal mehr antreten wollte. Nicht gehen wollte, weil schlicht und einfach etwas fehlen würde, das ihn bis jetzt immer zusammengehalten hatte, das ihm so viele Fehler verziehen hatte und seinen Geist auf eine Ebene gezogen hatte, die nun dabei war in sich zusammen zu fallen, auseinander zu brechen. Eine Ebene, die er in diesem Wissen nicht halten konnte und ihr Zustand schon jetzt zusehends zerfiel, wie die alten Ruinen, die er damals so oft zu Gesicht bekommen hatte und die auch nicht mehr zu retten waren. Überwuchert von der Erkenntnis, dass es niemanden mehr gab, der sie pflegen, gar reparieren konnte. Ein Trauerspiel an Bildern und Emotionen, der seine eiserne Maske schneller zum bröckeln brachte, als er es jemals angenommen hatte und das Zittern breitete sich langsam in seinem Körper aus, ließ ihn denken doch die letzten Meter die Kontrolle über sich zu verlieren und haltlos auf den Boden zu stürzen. Wie in Zeitlupe, ein Fall, in dem er den Blick schlichtweg nicht lösen konnte und doch war es nichts weiter als ein kraftloses Sinken auf den Boden, ein erschöpfter Atemzug, der sich nicht so nehmen ließ wie er es eigentlich sollte und eine Träne, die sich aus seinen Augen löste und das Bild für einen kurzen Moment wieder klarer werden ließ, bevor eine neue ihren Platz einnahm und sie ihm wieder nahm. Aber sie war lange gegangen. Hatte lange schon durch ihn ihren Wunsch erfüllt bekommen und hoffentlich dadurch einen sanften Übergang erhalten, den er ihr wirklich wünschte. Einen leichten und erfreulichen Weg in die Nachwelt, den sie sich damit erhofft hatte und den er ihr schenken wollte, wenngleich es den schwersten dargestellt hatte, den er selbst jemals hatte gehen müssen und den er wahrlich nie, nie wieder gehen wollte. Aber das musste er ja auch gar nicht, oder? Er musste diesen Weg nicht noch einmal gehen, weil sie lange verschwunden war und ein flüchtiges Lächeln huschte über seine Lippen. Ein Lächeln, das für den Bruchteil einer Sekunde zu einem Lachen wuchs und seine Schultern beben ließ, bevor es in einem unterdrückten Schluchzen unterging und noch während er sich bewusst darüber wurde, was er hier eigentlich wirklich tat, wurde er sich auch der Blicke wieder bewusst, die sich unweigerlich auf ihn gelegt hatten, die ihn beobachteten und jede seiner noch so kleinen Reaktionen in sich aufnahmen. Aber war das wirklich noch wichtig genug, war es genug um darüber nachzudenken, sich eine Reaktion entlocken zu lassen? Wie um sich selbst seine eigene Frage zu beantworten, schüttelte er den Kopf und versuchte ein weiteres Mal einen tiefen Atemzug zu nehmen, nur um zu spüren, dass es schlicht nicht möglich war. Dass ihn sein Körper betrog und Dinge tat, die er so verdammt lange nicht getan hatte und die ihn beinahe daran erinnerten bei lebendigem Leib zu sterben. Eingeschlossen in einen Körper der eigentlich gar nicht mehr wollte, fristete ein Geist ein Dasein, das es so vielleicht nicht verdient hatte und die Tatsachen viel zu schnell in Einklang brachte, was sein Inneres einfach nicht schaffte. Eine Tat, die so sehr im Gegenzug zu seinem innersten Wunsch stand, dass es sich schlichtweg nicht vereinbaren ließ, eine schmerzliche Erkenntnis, die das Zittern seines eigenen verräterischen Körpers auch nicht mehr besser machen konnte und in dem Moment, als seine Füße den Boden berührten, entkam ihm ein überraschtes, wenn auch mehr als erschöpft und erstickt klingendes Keuchen, das sich selbst in seinen Ohren unwirklich anhörte. Alles, was er tun konnte, was diesen einen Fleck anzustarren, der so nah war und doch in diesem Augenblick so verdammt weit weg erschien. Weil er wusste, dass er sie nie wieder sehen würde und diese Einsicht so schmerzlich war, wie keine andere zuvor. Zu sterben war eines der Dinge, die er niemals gescheut hatte und freiwillig in den Tod zu treten war immer etwas gewesen, das er wahrscheinlich nicht einmal bereut hätte. Er hätte es in sich aufgenommen und die Tatsachen akzeptiert, so wie sie ihm gesagt wurden und so wie er sie selbst mehr als einmal hatte erblicken dürfen und jetzt, hier am Ende war der Tod nur noch etwas, das er verabscheute, weil er sie nicht wieder sehen würde. Es waren nicht seine Sünden, die er bereuen musste, weil er so oft einfach keine andere Wahl hatte als einfach zu machen, was sie von ihm verlangten, wenn er selbst dabei sich zu wehren nicht draufgehen wollte. Es waren nicht die vielen Leben auf seinem Gewissen, die ihn am Ende in dieses tiefe schwarze Loch zu ziehen versuchten, an dessen Rand er sich befand und nur einen winzigen Schritt davon entfernt war hinunter zu stürzen. Es war auch nicht dieses Leben, das er am Ende bereuen musste, sondern lediglich die Erkenntnis, dass er sich ein solches schon immer gewünscht hatte und sich so viele der Dinge ersparen hätte können, die so schwer auf seinem Gewissen lasteten. Ein völlig anderes Leben, das ihm am Ende vielleicht die Möglichkeit gegeben hätte ihr nachzugehen, so aber spielte nicht einmal mehr der Gedanke, sich selbst ein wenig Ki durch das Herz zu jagen, eine Rolle. War keine Verlockung. ~~~***~~~ Ich mied sie, ging ihr aus dem Weg. Es war nicht so, dass ich Angst vor einer Konfrontation gehabt hätte, bei Weitem nicht, aber ich konnte schlicht und einfach auf diesen Blick verzichten, der mir auch ohne Worte sagen wollte, dass es ihr leid tat. Ich konnte auf die Worte an sich verzichten, weil sie mir nichts gaben und vielleicht nicht einmal die Wahrheit aussagten, weil es in dem Moment, als sie diese schmerzenden Worte gesagt hatte, wahrscheinlich wirklich ihre eigene Wahrheit gewesen war. Dass sie mich für zu schwach hielt. An sich war dieser Umstand vielleicht nicht einmal etwas, das mich derart beschäftigen sollte und vielleicht hätte ich die Worte einfach wieder vergessen sollen, weil sie ja doch nur von einem Menschen gekommen waren, der sicherlich keine Ahnung davon hatte, was wahre Stärke wirklich bedeutete. Welche Macht sie in sich trug und wie süchtig man nach ihr werden konnte, nur um am Ende festzustellen, dass es dort draußen ja doch noch jemanden gab, der immer ein wenig stärker als man selbst war. An sich sollten mir diese Worte wirklich am Arsch vorbeigehen und ich sie vergessen und doch zogen sie sich unermüdlich durch meinen Geist und ließen mich nicht zur Ruhe kommen. Ließen mich beharrlich trainieren, weil ich sie ausmerzen wollte, sie vergessen wollte, sie widerlegen, nur um es ihr zu zeigen - ihr, die keine verfluchte Ahnung von Kraft und vom kämpfen hatte. Wann war ich eigentlich so tief gesunken um auf die Meinung eines bescheidenen Menschen auch nur einen Pfifferling zu geben, wann war ich in selbst in meinen Gedanken so schwach geworden, dass ich ihre Meinung nicht einfach verwerfen konnte, nur um so weiter zu machen, wie ich es immer getan hatte? Ich kannte die Antwort nicht. Aber vielleicht war es auch einfach nur ihre so penetrante Art mir näher kommen zu wollen, dass ich die Wahrheit erst jetzt erkannte, wo es bereits zu spät gewesen ist. Vielleicht war es ihre Art, immer irgendwie in meiner Nähe sein zu wollen, mir Dinge zu zeigen, die ich so noch nicht kannte, ohne dass sie sich dabei über meine Unwissenheit lustig gemacht hatte. Vielleicht war es ihr Lächeln, das immer wieder eine Spur breiter geworden war, wenn ihre Augen mich entdeckt hatten und die versteckte Freude, die sie wohl empfunden hatte, wenn ich einem ihrer Wünsche gefolgt war, ohne die Hintergründe zu hinterfragen, wenngleich ich sie sowieso kannte. Es war ja auch nicht schwer zu erraten, wenn man nicht zwingend auf den Kopf gefallen war und dass ich das eindeutig nicht war, war unbestritten. Die Realität aber sah immer ein wenig anders aus als das, was wir uns in Gedanken so schön ausmalen, nur um am Ende zu merken, wenn wir den Kopf von diesem imaginären Blatt nahmen, dass es dort draußen nun einmal ganz anders aussah. Farbenfroh konnten wir alle denken, aber wenn wir den Blick hoben und die grausame Wahrheit entdeckten, die nun einmal eher etwas mit Grau und Schwarz zu tun hatte, dann riss es uns den Boden unter den Füßen weg und wir stolperten, so wie auch sie gestolpert war. Es lag an uns, ob wir wieder aufstanden oder nicht. Es lag an uns, ob wir uns von dieser drückenden Schwärze unterkriegen lassen wollten und ich begriff in dem Moment, als ich diesen Gedanken hegte und zur gleichen Zeit eine ihrer neuen Drohnen zu Staub verarbeitete, dass es mir in diesem Fall nicht anders erging. Ich begriff und verstand in diesem einen Augenblick, dass ich mich selbst belügen würde, würde ich mich aus dieser Rechnung streichen und mir sagen, dass es gänzlich nur an ihr lag. Dass nur sie gestolpert war. Dabei hätte alles so schön einfach sein können. Ich hätte nicht hier sein sollen, aber da dem nun einmal so war und sie keinerlei Angst mehr in meiner Gegenwart hegte, hatte ich keine andere Wahl als diese. Ich hatte genau zwei Möglichkeiten, die ich in Angriff nehmen konnte, aber keine von ihnen erschien mir wirklich interessant genug, um sie auch wirklich in Angriff zu nehmen und am Ende blieb ich inmitten der Bewegung stehen und zog die Brauen zusammen. Ich könnte gehen, diesem Planeten auf Wiedersehen sagen und einfach verschwinden, um nie wieder zu kommen und damit der Aussicht auf einen einmaligen Kampf entsagen. Ich könnte gehen und all das hier, all diese verwirrenden Dinge hinter mir lassen, um ein Leben zu beginnen, dass ich mir bereits so lange wünschte und doch niemals bekommen hatte - doch was brachte mir das? Es gab nichts mehr, wohin ich hätte zurückkehren können. Ich könnte auf der anderen Seite aber auch das einsehen, was sich selbst in mir in den letzten Monaten entwickelt hatte. Dieses kleine Etwas, das ich nicht beschreiben wollte und doch am besten als Anziehung betitelt werden konnte, ohne dass ich einen Schimmer davon hatte, wie ich es angehen wollte oder sollte, weil... sie ja doch nur ein Mensch war. Sie war vielleicht hier auf der Erde etwas Besonderes, aber unter meinen Maßstäben reichte sie nicht an das heran, was ich haben wollte, was meinen Stand entsprechen würde und doch... konnte ich einfach nicht abstreiten, dass sie mir nicht mehr aus dem Kopf ging. Dass mich ihre gesamte Art so sehr verwirrte und zur gleichen Zeit anzog, weil sie nicht gleich schreiend davon rannte, sondern sich mir todesmutig entgegen stellte. Ein Gedanke, der mich am Ende grinsen ließ. Sie war nicht todesmutig, sie war dumm, aber ich sagte keines der Dinge laut, sprach keines von ihnen aus, weil ich die Wahrheit in Wirklichkeit schon lange erkannt hatte. Weil ich auch nur ein Mann war und ein Mann nun einmal gewisse Grundbedürfnisse hatte, über die ich nicht sprach und die ich noch seltener tat, weil es außerhalb meines Trainings und Missionen selten eine Zeit gegeben hatte, in der ich mich darauf hätte konzentrieren können und war jetzt, nach so langer Zeit eigentlich ziemlich aufgeschmissen. Weil ich nicht wusste, wie ich es angehen sollte. Früher wäre es so einfach gewesen, weil ich es mir hätte nehmen können, wenn ich wollte. Wenn ich meinte, dass es mir zugestanden hatte, dann gab es keine Diskussionen um solche Dinge, sondern eine einfache Tat, aber hier standen die Sterne ein wenig anders, hier konnte ich nicht mit diesen Methoden vorgehen und das schlimme an der ganzen Sache war doch, dass ich es nicht einmal wollte, weil ich wusste, dass es falsch gewesen wäre. Und nun stand ich hier und wusste ganz genau, was sie wirklich von mir wollte, nur um der Sache letzten Endes doch wieder aus dem Weg zu gehen. Sie war... auf ihre eigene Weise irgendwie etwas Besonderes und auch wenn ich es ungern zugeben wollte und es auch niemals über meine Lippen treten würde, sie hatte etwas an sich, dass es mir unmöglich machte ihre seltsamen Wünsche abzuschlagen, sie hatte etwas an sich, das es mir schlicht unmöglich machte ihr vollends aus dem Weg zu gehen und sie links liegen zu lassen. Vielleicht war es Neugier meinerseits, ich hatte noch immer keine Antwort auf meine eigene Frage und würde wahrscheinlich auch niemals eine erlangen, solange ich nicht vor mir selbst zugab, was es in Wirklichkeit war. Aber sie war kein Feind, den es galt zu beobachten, um etwaige Schwachstellen herauszufiltern und einen Angriff zu erkennen, bevor dieser überhaupt stattfinden sollte. Sie war niemand, der ihre wahre Absichten so sehr hinter einem Gesicht verbergen konnte, das einem nichts weiter versprach als das, was es offen zeigte und sie war trotz allem geschickt genug, mich zu nichts zu drängen und doch manchmal die richtigen Hebel zu drücken, um mich zu etwas zu bekommen, das ich von Anfang an eigentlich nicht hatte machen wollen. Wie das Essen in der Küche. Der Gedanke alleine reichte, um meinen Magen laut aufknurren zu lassen und mich daran zu erinnern, dass ich alle Mahlzeiten des heutigen Tages aus genau diesen Gründen hatte ausfallen lassen. Weil ich ihr aus dem Weg ging, es mir zumindest versuchte einzureden und erst jetzt merkte, dass es bereits spät in der Nacht war. Zu spät, um sich nach einem langen Tag noch auf irgendwelche Taktiken zu konzentrieren, zu spät, um die Gedanken zu einem Halt zu zwingen und vor allem zu spät, um das permanente Zerren der Schwerkraft an meinem Körper, an meinen ausgelaugten Muskeln noch weiter ertragen zu können, so dass ich sie mit einer schnellen Bewegung abstellte. Das Surren des Generators erstarb und eine alles einnehmende Stille entstand. Wenn ich genau darüber nachdachte, wenn ich dieses Gefühl, das sich in diesem Moment in mir ausbreitete, wirklich einmal annahm und analysierte, dann fühlte es sich einsam an. Kalt und einsam, inmitten von Stahl und Gravitation, die dir die Knochen brechen, sie zertrümmern konnte, wenn man nicht richtig aufpasste. Es war einsam und leer in diesem Raum, karg und nicht wirklich zu etwas gedacht, um den ganzen Tag darin zu verbringen und doch tat ich es, weil... es mich an Zeiten erinnerte, als ich diese Gedanken noch nicht hegte, weil es mich an eine Zeit erinnerte, in der ein solch karger Raum mein zu Hause darstellte und ein Blick nach vorne durch das Fenster nur die bleierne Schwärze des Alls zeigte. Ich holte tief Luft und verdrängte den Gedanken wieder. Auch hier wusste ich nicht wirklich, was die viele Zeit zu bedeuten hatte, die ich hier verbrachte, aber vielleicht war es nur eine Strafe für mich selbst, weil ich ja doch nicht stark genug war, weil immer etwas fehlte. Vielleicht war es die Strafe dafür, dass ich meinen Planeten damals nicht hatte retten können, nur um danach wiederum jahrelang in den Diensten des Tyrannen zu stehen, der das zu verantworten hatte und ich nicht die leiseste Ahnung davon hatte. Ein bitteres Lächeln legte sich auf meine Lippen und ich schüttelte den Kopf über meine eigenen Gedanken, weil sie mich auch nicht weiterbrachten. Schüttelte sie ein weiteres Mal ab und begab mich zum Ausgang, um in die kalte Nacht hinaus zu treten und einen Blick in den Himmel zu werfen. Sterne wohin man sah und doch war ich noch immer hier. War so völlig untypisch für mich selbst seit längerer Zeit hier, als ich es zu Anfang angenommen hatte und hatte wahrscheinlich nicht einmal vor, doch wieder zu gehen. Ich wusste es nicht und wandte mich wieder ab, dem Haus zu und lächelte erneut dieses bittere Lächeln. Vielleicht brauchte ich später ja nicht einmal mehr einen Grund zu suchen um gehen zu können, weil sich die Sache von ganz alleine erledigt hatte. Vielleicht musste ich nichts bereuen und konnte aufhören mir diese endlosen Gedanken zu machen, weil sie nichts weiter machen würden als ebenfalls in dieser unendlichen Schwärze zu explodieren. Was hatte ich zu verlieren? Wenn ich ehrlich war, hatte ich doch bereits alles verloren. Wenn ich ehrlich mit mir selbst war, gab es keinen Grund das Für und Wider weiter in meinem Kopf hin und her zu rollen und einen Grund dafür zu suchen, sie weiterhin von mir zu stoßen. Ein Grund warum ihre Worte so sehr schmerzten war doch am Ende, dass sie mehr für mich darstellte, als ich bis dahin hatte einsehen wollen und mit dieser kleinen Feststellung trat ich schließlich leise in das Haus und begab mich auf den Weg in die Küche. Sie hatte wieder gekocht und das fertige Essen für mich stehen lassen, so dass ich mich nur noch an den Tisch setzen musste. Nein, es gab eigentlich wirklich keinen Grund weiterhin alles vor mir herzuschieben und sollte in etwas über einem Jahr doch etwas schief gehen, so konnte ich zumindest sagen, dass die Zeit nicht vollends verschwendet gewesen war. ~~~***~~~ Er schwankte. Aber es zu spüren und etwas dagegen zu unternehmen, waren zwei verschiedene Dinge, zumal ihm das unkontrollierbare Zittern, dass seinen gesamten Körper befallen hatte, das ganze Unterfangen nicht zwingend leichter machte. Es schien, als hätte sein Verstand erst jetzt die greifbare Tatsache, die sich so unverschämt vor seinen Augen ausbreitete, begriffen und verarbeitet, es schien, als würde sein Geist sich langsam von seinem Körper lösen und ein ersticktes, schwaches Keuchen hinterlassen, dass er weder spürte, noch aufhalten konnte. Das er nicht wahrnahm und noch während sein Blut unaufhörlich laut in seinen Ohren rauschte und er nicht umhin kam, schlicht und einfach pure Verzweiflung durch seine Adern rauschen zu fühlen, tiefe Trauer, die sich in einem weiteren erstickten Geräusch äußerte, wusste er, dass es vorbei war. Am Ende war es Kakarott, dessen aufmerksamer Blick die gesamte Zeit schon auf ihm gelegen hatte, der die Zeichen erkannte und die Lippen zu einer schmalen Linie zusammenpresste. Wahrlich, er hatte sich seit dem Beginn dieser ganzen Sache schon gefragt, wie lange Vegeta es durchhalten würde, wie lange er es schaffen würde die Trauer im Zaum zu halten und aufrecht zu gehen, während alles in ihm eigentlich nur danach schrie, dass er es hinauslassen wollte. Er hatte sich nicht nur einmal gefragt, wie lange dieser einst so stolze Kämpfer es schaffen würde diese Fassade aufrecht zu erhalten, hatte er ihre Risse doch bereits dort drin in diesem Zimmer gesehen und es nicht glauben wollen. Und doch war es wahr, mehr als nur eine kleine Einbildung, mehr als er jemals hatte sehen wollen und mehr noch... er verstand es, weil er es selbst einst gefühlt hatte. Schwer schluckend machte er einen langsamen Schritt nach vorne, nur einen einzigen und beriet mit sich selbst, ob er das wirklich machen wollte und sollte und doch konnte er den Gedanken daran nicht verdrängen, konnte den Wunsch in seinem Inneren nicht verhindern, der ihm klar und deutlich aufzeigte, was zu tun gewesen wäre. Und er tat es, bevor er sich weitere Gedanken darüber machen konnte, legte zwei Finger an die Stirn und verschwand aus den Reihen seiner Freunde, nur um für den Bruchteil einer Sekunde neben Vegeta wieder aufzutauchen und danach mit eben jenem wieder zu verschwinden... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)