Losing Control von abgemeldet (Was, wenn plötzlich alles außer Kontrolle gerät) ================================================================================ Kapitel 27: Strength -------------------- Also, noch ma sorry für den Cliffi, aber es hat so gereizt... Hintergrundmusik: "Sound the Bugle" von Bryan Adams und "Everbody's Fool" von Evanescence in eben dieser Reihenfolge. _______________________________________________________________________________ “Ich habe mich entschieden”, sagte Kai und machte den alles entscheidenden Schritt… Nach hinten. Hiro atmete auf, als er sah, wie der Junge der dunklen See den Rücken kehrte und sich ein weiteres Mal dem Leben stellte. Kai trat an seine Seite, völlig durchnässt von der Brandung, zitternd im eisigen Wind und doch stärker als jemals zuvor. Es gehörte mehr Mut dazu sich nicht das Leben zu nehmen und weiterzumachen, als es doch zu tun. Hiro nahm sich vor sein Bestes zu tun, damit Kai seine Entscheidung nicht bereute. Tysons Bruder zog seine Jacke aus und hängte sie Kai um die Schultern. Der Junge wehrte sich nicht, vergaß im kalten Wind seinen Stolz und zog sie stattdessen noch etwas fester um sich. Seine Lippen waren leicht bläulich verfärbt und die Energie, die Dranzer ihm geliehen hatte, nahm immer schneller ab. „Wir sollten zurück gehen“, sagte Hiro. Kai nickte schwach, unsicher, ob er wirklich die richtige Entscheidung getroffen hatte – und ob er zurück zum Dojo wollte… Doch mit Hiro, der ihn von der Seite her wachsam beobachtete, hatte er wohl keine andere Wahl. Tysons Bruder behielt Kai fest im Blick und runzelte die Stirn. Eigentlich hätte Kai gar nicht die Kraft haben dürfen um aufstehen zu können… Und erst recht nicht um so eine weite Strecke zurücklegen zu können. Hiro hatte sich sehr erschrocken, als er nach dem Jungen hatte sehen wollen und nur noch ein leeres Bett vorgefunden hatte. Auch die Sachen, die er ihm aus Kais Wohnung zum Anziehen besorgt hatte, waren fort gewesen. Hiro war durch die Stadt gerannt und hatte Kai dann auch durch Zufall im Hafen entdeckt. Ein blasses Lächeln huschte über sein Gesicht. Irgendwie schien er ein Talent dafür zu entwickeln, Kai aufzuspüren… Der Junge an seiner Seite zitterte und zog die Jacke noch enger um sich. Seine Bewegungen waren schwerfälliger geworden und steifer, anscheinend hatte er Schmerzen. Mit einem raschen Blick auf die Umgebung versicherte sich Hiro, dass sie nicht mehr weit vom Dojo entfernt waren. Trotzdem wurde es knapp… Sie waren gerade in Tysons Zimmer angekommen und Kai hatte sich mit Mühe und Not aus Hose und T-Shirt geschält, als die geliehene Energie endgültig aufgebraucht war und Kai zusammenbrach. Er wäre schmerzhaft auf dem Boden gelandet, wenn Hiro ihn nicht geistesgegenwärtig aufgefangen hätte. Tysons Bruder verfrachtet Kai wieder ins Bett und deckte ihn zu. Als er zurücktrat, begann ein rötlicher Schimmer um Kais Körper zu glühen, der sich dann von ihm löste und in einem Bitchip, der auf dem Nachttisch lag, verschwand. ‚Also hat Dranzer ihm geholfen’, stellte Hiro nüchtern fest. „Versuch noch kurz wach zu bleiben, Kai. Ich werde dir etwas zu essen holen“, sagte Hiro und verschwand aus dem Zimmer. ‚Ich werde dir nie wieder meine Energie leihen…’ Kai lächelte, als er das Murren seines Bitbeasts vernahm. ‚Du machst nur Dummheiten damit…’ ‚Es tut mir Leid, Dranzer’, dachte er. Federn raschelten in seinen Gedanken und das Bild eines schimmernden Auges, voller Wärme und Zuneigung, erschien: ‚Schon gut.’ Ein schwaches Kreischen erklang irgendwo am Rande seines Bewusstseins. Es war melodischer als Black Dranzers Laute und obwohl es so schrill war, dass es den meisten Leuten vermutlich nicht gefallen würde, erschien es Kai schöner als jede Melodie, die er jemals zuvor in seinem Leben gehört hatte. „Da bin ich wieder“, sagte Hiro und schloss die Tür hinter sich. In den Händen hielt er einen Teller Suppe. Kai versuchte sich aufzusetzen, mit dem Ergebnis, dass bunte Sterne vor seinen Augen tanzten und seine Muskeln zu zerreißen schienen. Er konnte ein schmerzerfülltes Stöhnen nicht unterdrücken. „Das wird ein Problem werden…“, sagte Hiro mit einem schiefen Lächeln. Er stellte den Teller auf den Nachttisch und half Kai beim Aufsetzen. ‚Dranzer! Ich glaube nicht, dass ich die Kraft habe alleine zu essen!’, ächzte Kai in Gedanken. ‚Und was hab ich damit zu tun?’ , fragte Dranzer gespielt dumm. Der Junge konnte ein leises Kreischen hören, dass er als Kichern identifizierte. ‚Dranzer! Bitte, hilf mir.’ ‚Willst du etwa nicht gefüttert werden, mein armer Kai?’ , lachte der Phönix in seinen Gedanken. Goldenes und rotes Feuer stahl sich vor Kais inneres Auge und bildete dort verwirrende Muster. ‚Dranzer!’ ‚Also schön…’ Die Muster verschwammen und bildeten sich neu, während der Phönix lachend etwas von seiner Energie an Kai weitergab. ‚Da gehen meine guten Vorsätze dahin…’ Ein rötlicher Schimmer löste sich von dem Bitchip und ging in Kais Körper über. Der Junge konnte sich von einem Moment auf den anderen wieder bewegen und die Schmerzen verblassten zu einem unangenehmen aber erträglichen Pochen. Hiro reichte ihm den Teller: „Können das alle Bitbeasts?“ Kai starrte auf die Suppe: „Ich weiß nicht…“ ‚Unsere Verbindung ist etwas Besonderes’, fügte er in Gedanken hinzu. ‚Etwas ganz Besonderes…’ Vorsichtig öffnete Tyson die Tür und versuchte sich so leise wie möglich ins Zimmer zu schleichen. Mit großer Sorgfalt achtete er darauf nur die Zehenspitzen aufzusetzen und kein Geräusch zu machen. Sogar den Atem hielt er an. Plötzlich trat er auf ein herumliegendes Beybladeteil, das sich schmerzhaft in seinen Fuß bohrte. Tyson biss sich auf die Zunge um nicht laut loszubrüllen, während ihm Tränen in die Augen stiegen. In Gedanken fluchend hockte er sich hin und umklammerte seinen Fuß, bis der Schmerz endlich nachließ. Als er dann zum Bett guckte, in dem Kai lag, musste er feststellen, dass all seine Bemühungen nichts genutzt hatten. Rubinrote Augen blitzten ihn an, in denen es leicht amüsiert zu funkeln schien. Für einen Moment war Tyson enttäuscht, dass er Kai geweckt hatte, dann wurde dieses Gefühl durch die Freude ersetzt, dass Kai endlich wach war. Mit einem Aufschrei fiel er seinem Freund um den Hals, der diese Geste erst mit einem schmerzerfüllten Stöhnen, dann mit Protest kommentierte. „Verdammt, Tyson! Lass mich los!“, Kai hasste es, sich nicht wehren zu können. Die anderen Blader hatten Tysons Freudenschrei vernommen und kamen nun, um zu sehen, was los war. Als Max und Daichi entdeckten, dass Kai wach war, taten sie es Tyson gleich und schlossen ihn in die Arme, was Kai offensichtlich gar nicht behagte. Ray hielt sich zurück, grinste aber übers ganze Gesicht und stellte sich neben das Bett. Auch die anderen Blader grinsten beim Anblick dieser Szene: Ein recht hilfloser, wütender Kai, der von drei seiner Teamkameraden, die sein Geschimpfe offensichtlich nicht im Geringsten störte, beinahe erdrückt wurde. Je nach Einstellung gegenüber Kai und Charakter fiel das Grinsen der einzelnen Blader dabei entweder höhnisch oder fröhlich aus. Plötzlich keuchte Kai vor Schmerz auf: „Verdammt! Ihr tut mir weh!“ Sofort ließen die Drei von ihm ab und musterten ihn besorgt. Das Gesicht ihres Teamkameraden war bleich und schmerzverzerrt. „Tut uns Leid, das wollten wir nicht“, murmelte Max schuldbewusst. Ray legte ihm eine Hand auf die Schulter: „Ich glaub das weiß Kai. Keine Sorge. Er ist bloß noch ziemlich schwach.“ Er wandte sich an Kai: „Ich hole dir jetzt erst mal etwas zu essen.“ „Das mach ich schon!“, rief Tyson und rannte aus dem Raum, Daichi auf seinen Fersen. „Ich will auch helfen!“, krähte der Rotschopf. Einige Blader konnten sich ein Lachen nicht verkneifen. „Das die sich gleich so überschlagen, nur weil der Typ aufgewacht ist“, murrte Eddy. Michael zuckte mit den Schultern und wollte gehen, da fiel ihm plötzlich etwas ein und er begann fies zu grinsen. Während sich die meisten anderen Blader wieder im Haus verteilten und ihren zuvor unterbrochenen Beschäftigungen nachgingen, blieb er stehen und hielt auch Eddy und Lee zurück. Tala, der auf ihr Verhalten aufmerksam wurde und dem Michaels Grinsen gar nicht gefiel, blieb ebenfalls stehen. „Warum bleiben wir?“, fragte Eddy seinen Teamleader. „Wenn Kai wirklich noch so schwach ist, wird er bestimmt nicht alleine essen können“, grinste Michael. „Ich weiß ja nicht wie es euch geht, aber ich will nicht verpassen, wie der große Kai gefüttert werden muss wie ein Kleinkind“, höhnte er. Kai, der die Augen inzwischen wieder geschlossen hatte und aussah, als ob er wieder eingeschlafen wäre, runzelte die Stirn: „Den Gefallen tue ich euch nicht.“ Max setzte sich neben ihn aufs Bett. „Und wie willst du dann bitte essen?“, fragte er vorsichtig. Sowohl für ihn als auch für Ray stand fest, dass sie Kai notfalls mit Gewalt füttern würden, wenn er sich weigerte zu essen. Der Arzt hatte gesagt, dass er unbedingt Nahrung zu sich nehmen müsste. Ein Blick zu Tala, der Kai scharf ansah, bestätigte Max, dass er und Ray noch einen weiteren Verbündeten hatten, der vermutlich noch hartnäckiger war als sie. Wie auf Kommando kam Tyson zurück, der in der einen Hand einen Teller balancierte und mit der anderen Daichi abwehrte, der wie ein junger Hund um ihn herum sprang und ebenfalls helfen wollte. Tala löste das Problem Daichi schließlich für Tyson, indem er den kleineren Jungen einfach am Kragen packte und hochhob, sodass er nur noch rumbrüllen und zappeln konnte. Tyson atmete sichtlich auf und stellte den Teller auf den Nachttisch. „Und nun?“, fragte er ziemlich ratlos. Offensichtlich war ihm auch gerade bewusst geworden, dass Kai zu schwach war um alleine zu essen. Ein roter Schimmer lenkte seinen Blick auf den Bitchip, den Dranzer seit neuestem sein Heim nannte. Ein Glühen breitete sich von dort aus und floss in Kais Körper, der sich daraufhin aufsetzte und den Teller an sich nahm. Aus kalten Augen sah er Michael, Lee und Eddy an, die sich wütend umdrehten und ohne ein weiteres Wort verschwanden. Auch Tala drehte sich um und ging mit den Worten, dass er Daichi wohl eine kleine Abkühlung vertragen könnte. Nur wenig später war aus dem Garten ein lautes Platschen und ein noch lauteres Gebrüll zu hören. Kai konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. Dieses seltsame, faszinierende und nur allzu oft lächerliche Chaos, das er sein Leben nannte, hatte ihn tatsächlich wieder… Seit Kais erstem offiziellen Erwachen waren mehrere Tage vergangen. Tage an denen Kai nichts weiter hatte tun können als im Bett zu liegen, die Decke anzustarren und nachzudenken, während die anderen Blader entweder im Garten oder in der Stadt die letzten warmen Tage des Jahres genossen. Inzwischen waren sämtliche Bäume kahl und ragten grau oder dreckigbraun in den Himmel. Der Boden war dagegen mit einem leuchtend bunten Teppich bedeckt, der die Schritte weich abfederte und im lauen Wind raschelte und flüsterte. Kai hörte Tyson und Daichi rumbrüllen, die sich offenbar gegenseitig mit Blätterhaufen beschmissen und Hillarys Zetern. Seit er aufgewacht war, benahmen sich die Beiden wie zwei Verrückte und stellten Mist an. Die restlichen Blader waren am Verzweifeln, denn noch nicht einmal die Blitzkrieg Boys oder ein Beybladematch schaffte es, die Beiden für längere Zeit zur Ruhe zu bringen. Kai kam es dagegen ganz gelegen, dass die Anderen im Moment mit den beiden Nervensägen beschäftigt waren. Er hatte keine Lust mehr untätig im Bett zu liegen und Löcher in die Luft zu starren, doch bisher war immer jemand da gewesen, der seine Versuche aufzustehen vereitelt und ihn freundlich, aber bestimmt wieder zurück ins Bett verfrachtet hatte. Heute aber nicht und das hatte Kai vor auszunutzen. Vorsichtig richtete er sich auf, doch sein Körper protestierte nur schwach gegen diese Bewegung, wobei sich dieser Protest allerdings immer noch wie ein sehr schwerer Fall von Muskelkater anfühlte. Kai unterdrückte ein Stöhnen und stand auf. Für einen Augenblick schien sich die Welt zu drehen, dann kam sie wieder ins Lot. Als Kai nach den Sachen griff, die in der Nähe auf einem Stuhl bereitlagen, hörte er Dranzer in seinen Gedanken aufseufzen. Doch der Phönix schwieg, da er wusste wie sehr Kai seine derzeitige Lage hasste. Kai zog sich an und machte einen vorsichtigen Schritt, unsicher, ob seine Beine sein Gewicht schon wieder halten konnten, doch nichts passierte. Der Junge lief zur Tür, öffnete sie und ging zu den anderen in den Garten. Auf der Veranda blieb er stehen und genoss das Gefühl, endlich wieder sein eigener Herr zu sein. Ein schon recht kühler Wind strich um die kahlen Bäume und über den kleinen Gartenteich und wehte die Blätter, die Daichi Tyson gerade an den Kopf geworfen hatte, in alle Richtungen davon. Die meisten Blader sahen dem Aufruhr, den die Beiden veranstalteten, mit gemischten Gefühlen zu: Zum Einen machte es ihnen Spaß bei der „Schlacht“ zu zu sehen, zum Anderen wünschten sie sich aber so langsam etwas Ruhe und Frieden – und keine Blätter mehr, die ihnen ins Gesicht klatschten, wenn einer der Beiden sein Ziel verfehlte. Kai spielte kurz mit dem Gedanken Tyson und Daichi scharf anzufahren und sie zur Räson zu bringen, entschied sich aber dagegen. Dazu hatte er nicht das Recht. Er musste froh sein, dass Tyson und die anderen Teammitglieder der G Revolution gewillt waren ihm zu verzeihen, also konnte er sie nicht einfach anschreien. Also entschied er stattdessen, sich irgendwo ein ruhiges Plätzchen zu suchen, von dem aus er das Schauspiel ungestört und ungefährdet beobachten konnte. Beim Geräusch seiner Schritte drehten sich Hillary und Ray, die nicht weit entfernt standen, um. „Kai?“, sagte Hillary überrascht. „Bist du dir sicher, dass du schon aufstehen solltest?“, meinte Ray und musterte ihn scharf. Kai schenkte ihm einen eisigen Blick. Niemandem würde er jetzt noch erlauben ihn wieder zurück ins Bett zu stecken. Dranzer gab einen belustigten Laut von sich als er diesen Gedanken mitbekam. Auch Ray schien zu bemerken, dass er keine Chance hatte an Kais Vernunft zu appellieren und wendete sich seufzend wieder der Blätterschlacht zu. Hillary dagegen lief auf Kai zu und packte ihn am Arm: „Kai! Du musst unbedingt was tun! Die beiden Idioten rauben mir noch den letzten Nerv.“ Der Junge sah sie an und hob eine Augenbraue: „Und was soll ich bitte tun?“ Hillary lächelte: „Na was du in solchen Situationen immer tust: Die Beiden zur Schnecke machen.“ Kais zweite Augenbraue wanderte nach oben und er sah fragend zu Ray, der sich neugierig zu ihnen umgedreht hatte. Der Chinese grinste und nickte. Auch er wollte endlich etwas Ruhe haben. Kai wandte sich ab und machte sich auf den Weg ins Zentrum des Krisengebiets, in dem zwei johlende Wirbelwinde ein enormes Chaos verursachten. Je näher er kam, desto mehr Blader wurden auf ihn aufmerksam. Bei einigen zeigte sich Abneigung auf den Gesichtern, bei den anderen ein leichter Hoffnungsschimmer. „Der wird auch nicht mehr Erfolg haben als wir“, brummte Bryan. Spencer nickte. Doch Tala grinste in sich hinein: „Kai schafft das. Da bin ich mir ganz sicher.“ Kai hatte sich inzwischen neben Tyson und Daichi gestellt, die ihn beide nicht bemerkten, und holte tief Luft. „Wenn ihr Beide nicht sofort mit diesem Mist aufhört, hetz ich euch höchstpersönlich von einer Trainingseinheit in die nächste! Und zwar so lange, bis euer mickriges Hirn nicht mehr zwischen momentanem Schmerz und Muskelkater unterscheiden kann! Also lasst endlich diese Kindereien und geht mir nicht länger auf die Nerven, oder ihr werdet mich kennen lernen!“, Kais Ausbruch kam einer Explosion gleich. Sofort herrschte Stille bei den beiden angeschrienen Jungen, die aussahen, als ob sie gleich einen Herzinfarkt bekommen würden. Ihre Augen waren geweitet und ängstlich auf den Halbrussen gerichtet, der sie mit einem seiner eisigsten Blicke bedachte. „Hey Kai… Ist ja schon gut…“, Tyson schwitzte sichtlich und versuchte sich irgendwie aus der Situation herauszuwinden. „Genau, wir hören sofort auf… Wir sind schon still…“, versuchte Daichi es mit einem, wie er meinte, versöhnlichem Grinsen. Als ihn ein eisiger Blick traf, hielt er sofort die Klappe, packte Tyson am Arm und zog in mit sich fort in die andere Ecke des Gartens. Kai drehte um und trottete zum Haus zurück. Er unterdrückte den Impuls, mit seiner Hand über den feinen Schweißfilm zu fahren, der sich auf seiner Stirn gebildet hatte. ‚Verdammter Mist. Selbst so ein bisschen Rumbrüllen strengt mich bereits derart an?’ Er spürte die Blicke der anderen Blader in seinem Rücken, etwas, was er hasste wie die Pest. „Wie hat er das gemacht?“, fragte Bryan mit einem leicht bewundernden Unterton in der Stimme. „Tja, Kai hat seinen Kindergarten halt im Griff“, grinste Tala. „Den beiden Nervensägen ist noch nicht einmal aufgefallen, dass das eben eine vollkommen haltlose Drohung war. Ich glaube nicht, dass Kai schon in der Verfassung ist, jemanden zu jagen, geschweige denn, zu trainieren.“ Sein Grinsen wurde noch fieser. Auch Bryan und Spencer grinsten. „Jetzt wissen wir wenigstens, warum Kai immer so still ist. Der muss vom ganzen Rumbrüllen andauernd heiser sein“, spottete der violetthaarige Russe. Daichi sah zu wie Kai sich neben Hillary, die in sich hineinkicherte, auf die Veranda setzte: „Oh Mann… Das ich das Gebrüll echt mal vermisst habe…“ Tyson nickte kurz, begann dann aber zu grinsen: „Aber es geht ihm besser.“ Kai lehnte sich an eine der Holzsäulen und schloss die Augen. Es tat gut mal wieder an der frischen Luft zu sein, aber er fühlte sich schon durch die paar Schritte, die er gemacht hatte, enorm ausgelaugt. Während die Blader um ihn herum wieder anfingen ihren Alltagsbeschäftigungen nachzugehen, schlief Kai ein, etwas, was ihm sonst nie passierte. Er erwachte erst wieder, als die Blader nach drinnen gingen um zu essen. Kai brauchte noch nicht einmal den Versuch zu machen, ob er aufstehen könnte, er wusste, dass er es nicht schaffen würde. Sein Körper fühlte sich schlapp an und seine Muskeln versagtem ihm wieder einmal komplett den Dienst. Er hatte sich allein schon mit den paar Schritten im Garten völlig übernommen. Ray beugte sich zu ihm hinunter und lächelte ihm an: „Es gibt Essen. Kommst du auch?“ Kai schüttelte den Kopf: „Kein Hunger…“ „Dann bring ich dir nachher was ins Zimmer“, sagte Ray und ging ebenfalls ins Haus, in der Annahme, dass Kai einfach allein sein wollte. ‚Und wie kommst du jetzt wieder zurück in dein Zimmer? Ich helfe dir dieses Mal nicht.’ , ließ sich Dranzers belustigte Stimme vernehmen. ‚Ach, halt den Schnabel…’, murrte Kai in Gedanken. Wenn es nach Dranzer gegangen wäre, hätte er Ray um Hilfe gebeten. Plötzlich fiel ein Schatten auf ihn und Kai blickte hoch, in Talas grinsendes Gesicht: „Na? Soll ich dir hoch helfen?“ „Wie kommst du darauf, dass ich Hilfe brauchen würde?“, fragte Kai kalt. Talas Grinsen wurde noch breiter: „Intuition… Und die Tatsache, dass du jetzt nicht einfach aufstehst und weggehst, sondern gezwungenermaßen sitzen bleibst.“ Kai sah fort, hatte aber keine andere Wahl, als das Angebot anzunehmen. Also streckte er die Hand aus und ließ sich von Tala hochziehen und zurück in Tysons Zimmer bringen. Das Grinsen des rothaarigen Russen ignorierte er dabei so gut es ging. Nach diesem misslungenen ersten Ausflug blieb Kai doch lieber im Bett. Lieber sich zu Tode langweilen als noch einmal vollkommen hilflos sein. Erst fast eine Woche später fühlte er sich wieder stark genug, einen neuen Versuch zu wagen. Eine wichtige Rolle bei seiner Entscheidung spielte auch, dass die meisten Blader an diesem Tag in die Stadt gegangen waren. Nur Bryan, Spencer, Raul und Lee waren da. Äußerst vorsichtig erhob sich Kai vom Bett und lief ein paar Schritte im Zimmer herum. Er fühlte sich zwar noch schwach, doch das Schwindelgefühl, das er beim ersten Aufstehen verspürt hatte, war verschwunden und seine Muskeln ziepten nur noch leicht. Erleichtert seufzte der Junge auf, was von Dranzer mit einem amüsierten Laut kommentiert wurde. Als er in den Garten trat, saßen Raul und Lee auf der Veranda und bastelten an neuen Beyblades herum. Die Blicke, mit denen sie ihn bedachten, waren alles andere als freundlich, doch er störte sich nicht daran. Solche Blicke war er gewöhnt. Kai setzte sich auf einen Stein am Teich und starrte auf das klare Wasser, auf dem der schwache Wind winzige Wellen bildete. Er hatte viel Zeit gehabt, über sich und seine Situation nachzudenken und es erstaunte ihn jedes Mal aufs Neue, dass ihm seine ehemaligen Teammitglieder so leicht verziehen hatten. Sie hatten ihn wieder aufgenommen und schienen das, was er getan hatte, einfach als kleine Fehler wegzuwischen. War er sich denn letztes Endes wirklich nur selbst Rechenschaft schuldig? Eine höhnische Stimme in seinem Rücken beantwortete ihm diese Frage: „Nun sieh mal einer an, wenn wir da haben!“ Ein bitteres Lächeln huschte ungesehen über Kais Züge. Nein, nicht nur sich selbst und seinem Team war er Rechenschaft schuldig… Den anderen Bladern auch. Kai stand auf und drehte sich um. Michael stand, die Arme lässig vor der Brust verschränkt und ein bösartiges Grinsen auf den Lippen, nur wenige Meter von ihm entfernt. Hinter ihm hatten sich Rick und Eddy wie zwei stumme Wächter aufgebaut, beide mit dem gleichen gehässigen Grinsen wie sein Teamleader. „Wird Zeit, dass wir uns noch einmal über den Diebstahl unserer Bitbeasts unterhalten, oder was meint ihr, Jungs?“, grinste Michael und machte einen Schritt auf Kai zu, der sich allerdings nicht einschüchtern ließ. Lee ließ das Beybladeteil, das er in der Hand hatte liegen und gesellte sich zu den drei Jungen: „Ich bin auch dabei.“ Raul sah sich die ganze Szene mit einem blassen Gesicht an, dann verschwand er im Haus. Rick ließ seine Fingerknöchel knacken: „Wird Zeit, dass du dafür bezahlst.“ Er und Eddy stellten sich seitlich neben Kai auf, der nun von drei Seiten eingekreist war. In seinem Rücken befand sich die Mauer, die er in seinem momentanen körperlichen Zustand unmöglich überwinden konnte. ‚Kai! Soll ich…?’ ‚Nein! Es ist ihr gutes Recht wütend zu sein. Und ich hab schon Schlimmeres überstanden’, dachte Kai und machte sich bereit. Raul kehrte mit Bryan und Spencer im Schlepptau zurück, gerade als die ersten Schläge auf Kai einprasselten. Die beiden Russen sahen sich erst das Geschehen, dann sich gegenseitig an. Sie gönnten Kai die Prügel, die er ihrer Meinung nach mehr als verdient hatte. Zudem war Tala nicht da, um sie dazu zu zwingen zu helfen. Beide drehten sich um und verschwanden wieder im Haus, so als ob sie nichts bemerkt hätten. Raul sah ihnen entgeistert hinterher, dann versuchte er Michael und seine Freunde zu beruhigen und zum aufhören zu bewegen. Nachdem er allerdings ebenfalls einen Schlag von Eddy abgekriegt hatte, beschränkte er sich darauf ängstlich zu zu sehen und zu hoffen, dass bald ein paar andere Blader zurückkehrten. Kai spürte die schweren Schläge in Magen und Rippen, gegen Gesicht und Schultern, die hinterhältigen Tritte und hörte die Beschimpfungen, doch er hielt ihnen stand und gab keinen Laut von sich. Dranzer tobte in seinen Gedanken, schien die Angreifer am Liebsten zerfetzen zu wollen, doch Kai verbot ihm, sich einzumischen und hielt durch, bis die vier Jungen glaubten ihn endgültig zu Boden geprügelt zu haben und grinsend von ihm abließen. Doch jedes Mal gefror ihr triumphierendes Grinsen, wenn Kai sich wieder aufrichtete, die Schmerzen ignorierte und sie herausfordernd anstarrte. Und jedes Mal, ging es wieder von neuem los… Kai wusste, dass er einfach nur liegen bleiben müsste und alles wäre vorbei, doch er hatte nicht vor, sich brechen zu lassen. Nie mehr. Er würde sich nie mehr von jemandem erniedrigen lassen, weder von seinem Großvater, noch von jemand anderem. Er würde nie wieder aufgeben, sich nie wieder in die Knie zwingen lassen, schwach sein… Nie wieder! Ein weiteres Mal rappelte sich Kai wieder auf und konnte sich beim Anblick der entgeisterten Mienen ein Grinsen nicht verkneifen. Ein weiterer Schlag warf ihn hart gegen die Mauer und ein ersticktes Keuchen kam über seine Lippen als ihm der Schmerz durch den Rücken schoss, doch er hielt sich schwankend aufrecht. „Seit ihr von allen guten Geistern verlassen?“ Die Barthez Battalion waren soeben in den Dojo zurückgekehrt und starrten entsetzt auf die Szene. Miguel stürmte vor und hielt Michaels Arm fest, der Kai gerade wieder schlagen wollte: „Ihr seid wohl verrückt geworden!“ Michael riss sich los und sah den Teamleader der Barthez Battalions wütend an. „Der hat es nicht anders verdient“, zischte er. Zur Bestätigung seiner Worte verpasste er Kai doch noch einen Schlag, der ihn auf den Boden schleuderte. Miguel ging neben Kai auf die Knie, sicher, dass er bewusstlos war, doch der silberhaarige Junge regte sich noch und richtete sich mit einigen Schwierigkeiten sogar wieder auf. Schwankend stand er vor der Mauer, das blutverschmierte, dreckstarrende Gesicht zu einem arroganten Lächeln verzogen und sah die vier Angreifer aus brennenden Augen an: „War das etwa schon alles?“ Die anderen Blader konnten es nicht glauben. Kais Kleidung war dreckig und zerissen, überall konnte man die Spuren der Schläge und Tritte sehen, aus Mund und Nase lief Blut – und doch wirkte Kai stärker denn je. Unbeugsam, unbesiegbar, wie ein König, der auf vier Bettler herabstarrte, die es gewagt hatten, ihn schief anzusehen. Lee machte einen Schritt auf ihn zu und hob drohend die Faust, doch Kais Augen blitzten nur belustigt auf und sein Lächeln wurde spöttisch: „Schlag ruhig zu, wenn du dich dann besser fühlst. Ich habe es verdient und das weiß ich auch.“ Seine Stimme wurde leiser und herablassender: „Aber gib dir wenigstens richtig Mühe, denn ich habe schon weitaus schlimmere Schläge eingesteckt als die hier. Und erwarte nicht, dass ich vor dir in die Knie geh oder aufgebe. Denn das werde ich nie mehr tun!“ Die letzten Worte hatte er gezischt und ein unheimliches Feuer loderte in seinen Augen auf, sein unbändiger Wille, der sich niemals mehr brechen lassen würde. Die vier Blader sahen Kais schwankende, aber aufrechte Gestalt, die Schultern gestrafft, der Rücken durchgestreckt, das Gesicht stolz und voller Erwartung des nächsten Schlags vorgestreckt, die Augen zwei rubinrote Flammenmeere – und sie gaben auf. Sie hatten Kai schwächen wollen, doch mit jedem Schlag wurde er nur stärker. Sie hatten Kai erniedrigen wollen, doch er hatte ihnen erlaubt, ihn zu schlagen. Sie hatten Kai wimmern und um Gnade winseln hören wollen, doch Kai litt stumm und sah auf sie herab. Sie hatten ihn bestrafen wollen, doch Kai hatte die Strafe klaglos angenommen und ihnen damit den Wind aus den Segeln genommen. Sie hatten keine Chance, also gaben sie auf… Kai sah sie an und wusste, dass es vorbei war. Erst jetzt gestattete er Dranzer ihm etwas von seiner Energie zu leihen. Die Schmerzen verblassten, als sie wie Feuer durch seine Adern floss und mit goldenem Funkeln die ersten Narben auf seiner Haut verblassen ließ, die sich während der Zeit, die er im Dojo verbracht hatte, gebildet hatten. Stolz wandte sich Kai zu Miguel, der ihn ebenso anstarrte wie alle anderen Anwesenden: „Sag Tyson und den anderen, dass ich nach Hause gehe. Ich brauche etwas Zeit für mich allein um… um mein Leben wieder richtig in den Griff zu kriegen. Wenn sie etwas von mir wollen, sollen sie sich an Mr. Dickinson wenden.“ Miguel nickte stumm und Kai ging. Am Tor hielt er noch einmal inne: „ Und sag ihnen, dass ich ihnen danke…“ Miguel lächelte. Vielleicht konnte sich Kai wirklich ändern. „Ich danke ihnen für alles…“ _______________________________________________________________________________ Sobald ich den Namen fürs nächste Chap hab, geht's weiter... Helfer sind immer willkommen. Und zu Michael und co: Irgendwer musste halt die Bösen spielen und die waren meiner Meinung nach die Glaubwürdigsten vom Charakter her ^^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)